About the Author: Stephan

Photogrammetrie – die Wissenschaft der Erstellung präziser 3D-Modelle aus Bildmaterial – hat durch den Einsatz leistungsfähiger Computersysteme und neuester Computer Vision Algorithmen in den letzten Jahren einen gewaltigen Schub erlebt. Gerade im professionellen Bereich hat sich Metashape (ehemals Photoscan) der russischen Firma Agisoft zur ersten Wahl für anspruchsvolle 3D-Rekonstruktionsaufgaben entwickelt.

Die leistungsstarke Software bietet einen umfassenden Werkzeugkasten mit State-of-the-Art Technologien für den gesamten photogrammetrischen Arbeitsablauf – von der Bildvorbereitung und Kamerakalibrierung über Punktwolkenerstellung, Polygonnetzgenerierung und Texturierung bis hin zur Nachbearbeitung und Datenausgabe. In diesem Beitrag werfen wir einen detaillierten Blick auf die technischen Verfahren und Besonderheiten, die Metashape so leistungsfähig machen.

Metashape

Kernverfahren und Algorithmen in Metashape

Bildausrichtung und Kamerakalibrierung

Die Grundvoraussetzung für die 3D-Rekonstruktion ist eine hochpräzise Ausrichtung und Orientierung der Ausgangsbilder. Metashape verwendet hierfür einen robusten Feature-Matching-Algorithmus, der SIFT-Features und hochdimensionale Deskriptoren aus den Bildern extrahiert. Die Software kann damit selbst Bilder mit extremen Beleuchtungsunterschieden, verschiedenen Beschaffenheiten und Kameraperspektiven zuverlässig zuordnen.

Nach der Ausrichtung erfolgt eine Bündelblockausgleichung mit integrierter Kamerakalibrierung für jeden einzelnen Kameratyp. Die Parameter wie Brennweite, Pixelgröße, Linsenverzerrungskoeffizienten etc. werden dabei hochgenau aus den Bildern ermittelt.

Sparse Cloud Berechnung

Basierend auf der Ausrichtung und Kalibrierung werden in einem ersten Durchlauf die rohen Kamerapositionen und eine Sparse Cloud berechnet. Diese erste, noch relativ grobe Punktwolke dient als Grundlage für die anschließende hochdetaillierte Dense Cloud Berechnung.

Dense Reconstruction

Das Herzstück von Metashape ist der Dense Cloud Algorithmus. Dieser kombiniert modernste Stereo-Matching-Algorithmen mit einer echten Tiefen-Karten-Fusion, die mehrere Detailtiefen-Ebenen verarbeiten kann. Spezielle Verfahren wie „Harsh Geometrie“ ermöglichen detailgetreue Rekonstruktionen selbst bei sehr glatten, strukturlosen Oberflächen ohne Features.

Im Ergebnis erhält man eine extrem detaillierte, hochdichte Punktwolke, die selbst feinste geometrische Details und Strukturen präzise auflöst. Die Wolken können Milliarden bis Billionen von Punkten umfassen.

Polygonnetzerstellung in Metashape

Auf Basis der Dense Cloud erfolgt im nächsten Schritt die Generierung eines geschlossenen Polygonnetzes für die Oberfläche. Metashape verwendet einen hochskalierbaren Reconstruction-Algorithmus, der problemlos mit riesigen Punktwolkendatensätzen umgehen kann.

Das Netz wird anschließend durch Remapping-Verfahren detailliert an die originale Punktgeometrie angenähert. Gleichzeitig erfolgt ein Mesh-Zertifizierungsprozess, der fehlerhafte Topologien, Löcher und Überlappungen beseitigt.

Texturen und Nachbearbeitung in Metashape

Für die Texturierung des Polygonmodells kommen in Metashape leistungsstarke Blending-Verfahren zum Einsatz, die das bestmögliche Texturergebnis aus allen verfügbaren Bilddaten generieren. Dabei werden auch schwierige Beleuchtungsszenarien wie unterschiedliche Belichtungen oder starke Schlagschatten automatisch ausgeglichen.

Für die Nachbereitung integriert Metashape zahlreiche Werkzeuge zum Mesh-Entrauschen, zur automatischen Farbkorrektur für fotorealistische Texturierung, Decimate-Tools für Level-of-Detail Modelle sowie native Unterstützung für Masken, Kartierung, Volumendatenanalyse und mehr.

Verteilte Netzwerk-Verarbeitung

Dank optimierter Hochleistungsalgorithmen kann Metashape die Berechnungslast auf mehrere Kerne, Grafikbeschleuniger und Systeme aufteilen. So lassen sich, gekoppelt mit leistungsstarken Hardware-Ressourcen wie massive CPU/GPU-Cluster oder Renderfarms, selbst extrem umfangreiche Projekte mit Billionen von Polygonen effizient bewältigen.

Eine weitere Innovation ist die integrierte Netzwerk-Unterstützung. Metashape kann die Verarbeitung einzelner Frames und Berechnungsknoten gleichmäßig auf beliebig viele Clusterknoten aufteilen, ohne die Genauigkeit zu beeinträchtigen. Dies ermöglicht hochskalierbares Cloud-Rendering.

Metashape

Einsatzbereiche und Stärken

Die Kernstärken von Metashape sind einerseits die extrem hohe Detailgenauigkeit und Datenqualität der Rekonstruktionen. Andererseits beeindruckt die Software durch enorme Skalierbarkeit für Großprojekte, sowie die durchdachte Integration des gesamten Rekonstruktionsworkflows in einer Applikation.

Gepaart mit der nahtlosen Verarbeitung von Luftbildern, Rig- und Multikamera-Systemen sowie Laser-Scan-Daten, ist Metashape die perfekte Komplettlösung für eine Vielzahl von Anwendungen:

– Visualisierung von Architektur, Anlagen, Prototypen etc. zu Dokumentations- und Planungszwecken
– Vermessung und hochgenaue 3D-Kartografie von Gebäuden und Landschaften
– Präzisionsvermessung für Bauaufnahmen, Denkmalschutz und Archäologie
– Visual Effects und 3D-Scanning für Film/TV (Set-Extensions, Digitale Doubles etc.)
– Reverse Engineering für CAD-Produktentwicklung und 3D-Prototyping
– Erhebung von Volumendaten für Bergbau und Landwirtschaft

Vor- und Nachteile von Metashape

Neben der enormen Leistungsfähigkeit und Detailgenauigkeit bringt Metashape jedoch einige Nachteile und Herausforderungen mit sich:

Hoher Hardwarebedarf: Die Millionen- bis Billionen-Polygonberechnungen erfordern massive Hardware-Ressourcen wie Arbeitsspeicher, Grafikbeschleuniger und Parallelverarbeitung. Consumer-Hardware stößt schnell an ihre Grenzen.

Komplexität und Lernkurve: Die zahlreichen Parameter und Möglichkeiten zur Anpassung und Optimierung bieten zwar maximale Kontrolle, bedeuten aber auch eine steile Lernkurve für Professionelle.

Fehlende Integrationen: Während Kernaufgaben perfekt integriert sind, fehlt es etwas an nahtlosen Schnittstellen für KI-gestützte Funktionen, Animationen, CAD-Werkzeugen und direkter Engine-Integration.

Hohe Kosten: Die Profilizenzen für Metashape sind mit Preisen von mehreren Tausend Euro pro Jahr sehr teuer und für viele Einzelanwender kaum erschwinglich.

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Fazit

Metashape hat sich zu einem der fortschrittlichsten Photogrammetrie-Systeme für höchste Ansprüche entwickelt. Leistungsfähige Algorithmen, enorme Skalierbarkeit und eine überzeugende Integration des gesamten Prozessworkflows machen die Software zur optimalen Lösung für Präzisions-3D-Rekonstruktionen jeglicher Art.

Zwar bringen die Funktionsvielfalt und Detailgenauigkeit auch hohe Hardware-Anforderungen, Komplexität und Kosten mit sich. Für Professionals, die nach der ultimativen Lösung für anspruchsvolle Visualisierungen, Vermessungen oder VFX-Aufgaben suchen, ist der Einsatz von Metashape jedoch kaum zu umgehen.

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